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Das Ende des 2. Weltkrieges in Leonding

Gerhard Tolar / Johann Stipanitz

Wie erlebt Leonding das Ende des 2. Weltkriegs? Der Verfasser der handschriftlichen Chronik von Leonding, Karl Karning sen., beschreibt die Ereignisse wie er sie erlebt habe. Ein Auszug:

2. Mai 1945: Amerikaner in Braunau einmarschiert, sind wohl morgen oder übermorgen hier zu erwarten

3. Mai: Gauleiter Eigruber soll bereits geflüchtet sein!

4. Mai: Arbeitsdienstler und Flaksoldaten verlassen ihre Stellungen. Man hört Sprengungen von Geschützen

5. Mai: gegen 14 Uhr mittags rollten die ersten Panzerspitzen von Rufling her Richtung Leonding, … werden unerwartet von deutscher Artillerie beschossen. Die Amerikaner entsenden Parlamentäre. Leonding soll die weiße Fahne hissen. Beobachter am Kirchturm orten die feindliche Stellung. Ein dumpfer Knall beendet das ungleiche Duell. Ab 17 Uhr rollen die ersten amerikanischen Kolonnen durch das Dorf Leonding

2. Mai: General Dönitz kapituliert! Der Krieg ist aus!

Was ist geschehen:

In der Nacht vom 6./7. Mai 1945 unterzeichnet nach erfolglosen Verhandlungen Generaloberst Alfred Jodl im Auftrag von Großadmiral Karl Dönitz im Obersten Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte in Reims die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht, in der Nacht vom 8./9. Mai 1945 der Oberkommandierende der Wehrmacht Wilhelm Keitel im Hauptquartier der Roten Armee in Berlin-Karlshorst. Die Kampfhandlungen in unserem Raum sind – weitgehend – beendet. Ein wichtiges Datum ist auch der 27. April 1945: Karl Renner erklärt als Kanzler der Provisorischen Staatsregierung die Unabhängigkeit vom Deutschen Reich.

Die Begegnung Zivilisten und Amerikaner im O-Ton:
Ein Auto nach dem andern fährt durch, alle mit Maschinengewehren – zumeist von Negern oder negerähnlichen Leuten gelenkt. Man begrüßt jedes näherkommende Militärauto mit dem weißen Sacktuch zuerst scheu, dann aber immer freudiger und zutraulicher – viele gebrauchen seltsamerweise die ausgestreckte Hand (=Hitlergruß) – manche sogar mit der Faust. Immerhin werden sie alle als die Befreier vom Nationalsozialistischen Terror begrüßt.“

Der propagierte totale Krieg hat den Druck nach Außen und nach Innen erhöht. Der Chronist berichtet von laufenden Drohungen August Eigrubers via Radio. Zwei lokale Beispiele: 15. April 1945: In Alharting wird der Präsident des Arbeitsamtes Linz, Ing. Gustav Böhm, hingerichtet – auf Befehl Eigrubers –, weil er seinen Arbeitsplatz verlassen hat. Ewa 15 versprengte jugendliche Soldaten werden von der Feldpolizei ohne Papiere aufgegriffen. Zeitzeugen berichten, dass sie vor ihrer Hinrichtung lauthals Gott und ihre Mutter um Hilfe anriefen. Eigruber verlässt am 3. Mai, 4 Tage vor der Kapitulation seine Arbeitsstelle. Er wird im Mauthausen-Hauptprozess 1947 hingerichtet.

Der Chronist weist darauf hin, dass die Monate vor Kriegsende, besonders um Weihnachten 1944, von zermürbenden Bomber- und Tieffliegerangriffen geprägt sind, meist für Linz gedacht, aber mit bitteren Opfern in Leonding. Flugzettel werden abgeworfen, sich doch gegen das NS-Regime zu stellen. Machtlose Antwort: „Wir haben doch keine Armee!“

Pfarrer Johann Haudum hält fest: Wir schmückten rasch die Gräber von 20 hier beigesetzen gefallenen amerikanischen Soldaten und beseitigten die Hakenkreuzfahne von Hitlers Elterngrab.

Zu den Tagen nach dem Kriegsende:
O-Ton des Chronisten:
Die Woche vom 6. – 13. Mai war bitter hart. Wie ein durchbrochener Staudamm öffneten sich die Lager der Fremdarbeiter, Russen, Polen Italiener etc. und besonders das KZ Lager Mauthausen-Gusen mit angeblich 30.000 politischen und teilweise kriminellen Häftlingen. Die ausgemergelten Gestalten hatten Hunger, Hunger! Viele sinnlose Plünderungen kamen vor, auch von einheimischen Tätern!

Die amerikanische Militärregierung setzt NS-Bürgermeister Sepp Miesenberger für drei Wochen wieder ein und ersucht den Vorkriegsbürgermeister, den von der Vaterländischen Front eingesetzten Franz Bäck, um Mitarbeit. Der kontaktiert Sozialdemokraten, die in den Gemeindeausschuss aufgenommen werden. All das geschehe mit dem Segen von Pfarrer Haudum, wird kolportiert. Mit der ersten Nachkriegswahl gibt es wieder sozialdemokratische Bürgermeister.

Auch im Konzentrationslager Mauthausen waren am 5. Mai amerikanische Panzer eingefahren – auf dem Appellplatz. Die NS-Lagermannschaft war geflohen, die Lagerinsassen befreit, für viele zu spät – darunter für den sozialdemokratischen Landespolitiker Richard Bernaschek († 18. April1945, Genickschuss), für manche war die Befreiung in letzter Minute gekommen, unter ihnen der jüdische Architekt Simon Wiesenthal, damals 37 Jahre alt und nur noch 50 Kilogramm schwer. Er kommt in Kontakt mit einer amerikanischen „Kriegsverbrecherkommission“ und übergibt entscheidende Hinweise. Die Amerikaner bringen ihn mit anderen Befreiten in ein Lager für Verschleppte nach Leonding, eingerichtet in der alten Volksschule in der Michaelsbergstraße oberhalb des heutigen Pfarrsaals. Ebendort war Adolf Hitler zur Schule gegangen, das Grab seiner Eltern befand sich auf dem nahegelegenen Friedhof. Vom Fenster aus musste Wiesenthal den direkten Ausblick auf das ehemalige Wohnhaus der Familie Hitler ertragen. Traumata und Albträume quälten ihn. Nach wenigen Tagen zog er nach Linz. Seine gesamte Familie, ausgenommen seine Frau, waren ermordet worden. Später war es Wiesenthal, der maßgebliche Hinweise zur Ergreifung des „Holocaust-Cheflogistikers“ Adolf Eichmann geben konnte. Bei seiner Suche nach NS-Kriegsverbrechern, die er inzwischen zu seiner Lebensaufgabe gemacht hatte, ging es ihm ausschließlich um Gerechtigkeit, „Recht, nicht Rache“ war der deutsche Titel seines Buches, später auch des Films mit Ben Kingsley in der Hauptrolle.

Quellen: Karl Karning sen., hs Chronik der Gemeinde Leonding Bd I; hs. Pfarrchronik von Leonding, Verfasser in der fraglichen Zeit: Dechant J. Haudum; Zeitzeugenberichte, gesammelt von G. Tolar.

Unterfertigung der Kapitulation

Unterfertigung der Kapitulation

Bild3

Simon Wiesenthal

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